Albertina Wien | Brigitte Kowanz | www 12.03.1989 06.08.1991, 2017

Albertina – Brigitte Kowanz. Light is what we see

Die Albertina in Wien präsentiert die erste große Einzelausstellung der Wiener Künstlerin seit ihrem Ableben.

Licht ist Träger von Bild und Botschaft im Werk der international renommierten Künstlerin (1957–2022). Für sie ist Licht ein universeller Code – und eine Lebensmetapher. In vielen ihrer Arbeiten tritt das Medium selbst in den Vordergrund, wird transparent, sichtbar – und thematisiert sich dabei zugleich. „The medium is the message“, formulierte der Medientheoretiker Marshall McLuhan. Kowanz macht diese Aussage auf eindrucksvolle Weise erfahrbar. Licht ist bei ihr nicht nur Medium, sondern ein Erkenntnisraum – ein immaterieller Code für das Sichtbare wie das Unsichtbare unserer Gegenwart.

Von alltäglichen Materialien zum immersiven Raumerlebnis

Schon zu Beginn ihrer Karriere in den 1980er-Jahren beschäftigt sich Kowanz mit der Erfahrung des Alltäglichen und greift künstlerische Aspekte auf, die etwa Marcel Duchamp zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt. So vollzieht sie den Schritt zum Wand- und Raumobjekt durch den Einsatz von Neonröhren und Flaschen, die mit fluoreszierenden und phosphoreszierenden Leuchtmitteln gefüllt sind. Sie greift Elemente der Undergroundkultur – von der New-Wave-Musik über halluzinogene Erfahrungen bis hin zu einer rebellischen Punk-Attitüde – auf, die zu dieser Zeit auf filmische Experimente, Videokunst und das aufkommende Interesse am virtuellen treffen. Kowanz interessiert sich zeitlebens für jene Zustände, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen – für Übergänge, Zwischenräume, Ambivalenzen. Es geht ihr um die „Transformation kognitiver und emotionaler Energie“, so die Künstlerin. Die Überwindung der klassischen und die Reflexion der neuen Medien, die Expansion in die Dreidimensionalität, immersive Installationen, die Beziehung von Licht, Sprache, Codes, Raum und Zeit werden zu wichtigen Wegbegleitern ihrer visionären Kunst.

Infinity and Beyond

Die Beschäftigung mit Licht und Lichtgeschwindigkeit bildet das Zentrum ihres Werkes, das reale und
virtuelle Realitäten auch unter Einsatz von Spiegeln miteinander verbindet und die Unendlichkeit  tangiert: Infinity and Beyond, so der Titel ihres Beitrags im österreichischen Pavillon der Biennale in Venedig 2017. Unter Einsatz verschiedener Stilmittel wie reflektierende Oberflächen werden die Betrachter:innen unmittelbar adressiert und integraler Bestandteil der Kunstwerke. Instabile, flüchtige und bewegte Bilder entstehen als Möglichkeitsräume, um eine hybride Wirklichkeit und eine beschleunigte Gegenwart besser zu verstehen.

Im Œuvre der Medienkunst-Pionierin spielen Wort und Bild eine wesentliche Rolle. Das Interesse der
Künstlerin an Sprache, alten und neuen Zeichensystemen zeigt sich in vielen Werken mit Morsecodes, in denen sie Botschaften mit Licht übermittelt. Morsezeichen sind ein früher binärer Code, mit dem sich Informationen erstmals mittels Lichtgeschwindigkeit über große Distanzen übertragen lassen. Im Rhythmus von kurz und lang, ein und aus, im Zwischenraum aus Präsenz und Absenz, sowie der Gleichzeitigkeit von Senden und Empfangen entsteht die Übertragung von Information. Insofern ist das Morsen Fundament unserer heutigen digitalen Informationsgesellschaft und der damit verbundenen beschleunigten Wirklichkeit. Die Arbeit Email 02.08.1984 03.08.1984, die auf das Datum der ersten übermittelten Email verweist, www 12.03.1989 06.08.1991 oder Wikipedia 15.01.2001 sind eine künstlerische Auseinandersetzung mit den telekommunikativen Innovationen unserer Zeit und deren weitreichenden Auswirkungen auf unterschiedliche Generationen weltweit, die Kowanz in ihrer Kunst mit Licht antizipiert und begleitet. Die Erschließung virtueller, digitaler und imaginärer Räume finden in der Ausstellung ihren buchstäblich leuchtenden Höhepunkt: strahlkräftige Objekte entfalten ihre Wirkung, breiten sich lichtstark in den Hallen aus und lassen eine neue Wirklichkeit spürbar werden.

Ein Werk zwischen Emanzipation und Magie

Für ihre retrospektive Ausstellung in der Albertina werden Räume mit Spiegeln und bis in die Unendlichkeit reflektierende Arbeiten gezeigt. Die Schau präsentiert ein dialektisches Werk, das das Unvereinbare vereint, und zwischen Gegensätzen pendelt: Materialität und Immaterialität, Aufklärung und Verklärung, Emanzipation und Magie. In einem Raum mit Schwarzlicht, der an die Clubszene erinnert, kommen phosphoreszierende und fluoreszierende Werke zur vollen Geltung. Es entstehen Raum im Raum-Konstruktionen. Eine Galerie mit frühen Arbeiten präsentiert erstmals Werke wie Polaroid-Fotografien und wiederentdeckte modulare Objekte, die Kowanz‘ in Zusammenarbeit (1979 – 1984) mit ihrem Partner, Franz Graf, entwirft.

.Brigitte Kowanz‘ herausragendes Œuvre kreist um die Dematerialisierung des Kunstobjekts sowie um die Visualisierung von Immaterialität, Flüchtigkeit und der Grenzenlosigkeit des Lichts. Im Zentrum dieses Werks mit Signalcharakter steht eine ebenso einfache wie radikale Frage: Was ist Licht? Light is what we see, ist die Antwort der Künstlerin. Dieser Leitsatz verweist auf ein zentrales Paradox: Licht macht alles sichtbar – bleibt selbst aber meist unsichtbar. Kowanz gelingt es, dieses Unsichtbare zu thematisieren – und in ihren Arbeiten eindrucksvoll zur Erscheinung zu bringen.

Kurator:innen: Angela Stief und Adrian Kowanz

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18. Juli bis 9. November 2025

täglich 10 bis18 Uhr • Mittwoch und Freitag von 10 – 21 Uhr
Albertina Wien 1, Albertinaplatz 1

Brigitte Kowanz | www 12.03.1989 06.08.1991, 2017 | 270 × 670 × 20 cm, Neon, Spiegel, Aluminium, Lack | The ALBERTINA Museum, Vienna – Donation Adrian Kowanz 2025 © ESTATE BRIGITTE KOWANZ | Bildrecht, Vienna 2025 | Foto: Stefan Altenburger

Brigitte Kowanz | 1 × 8, 1988/2019 | 150 × 150 × 15 cm, Neon, Fluoreszenzfarbe, Pigmente, Glas, Holz | ALBERTINA, Wien – Familiensammlung Haselsteiner © ESTATE BRIGITTE KOWANZ | Bildrecht, Wien 2025 | Foto: Stefan Altenburger

Brigitte Kowanz | Matter of Time, 2019 | 70 × 70 × 70 cm, Neon, Spiegel | ESTATE BRIGITTE KOWANZ © Estate Brigitte Kowanz | Bildrecht, Wien 2025 | Foto: Stefan Altenburger